Arbeitspaket 1: Design des prototypischen vkw++

Status: Abgeschlossen

Ziel:

Ziel des Arbeitspaketes war die Definition eines Anforderungskataloges für verteilnetzdienliche, virtuelle Flächenkraftwerke – kurz vkw++. Mit einer Gap-Analyse sollte formuliert werden, welche der für Energieverteilnetze im Kontext der Energiewende auftretenden Herausforderungen heute von „State-Of-The-Art“ Netzleitsystemen nicht vollumfänglich adressiert werden. Dabei war es das Ziel, den Fokus nicht auf die Ebene der Verteilnetze zu begrenzen. Vielmehr sollte untersucht werden, welche Möglichkeiten technisch erschließbar sind, um sogenannte Systemdienstleistungen zwischen einzelnen Regionen netzübergreifend auszutauschen.

Ergebnis:

Das Arbeitspaket „Design“ wurde im Dezember 2017 abgeschlossen. Als Ergebnis wurden drei Szenarien entwickelt, die jeweils unterschiedliche Herausforderungen der Energiewende fokussieren. Jedes Szenario stellt dabei besondere individuelle Anforderungen an ein vkw++.

Szenario 1: Netzführung nach dem Ampelkonzept

Im Vergleich zu den Übertragungsnetzen werden in Energieverteilnetzen üblicherweise großzügige Leistungsreserven eingeplant, um den sicheren und überlastfreien Betrieb der Netze mit vergleichsweise wenigen Kontrollmessungen gewährleisten zu können.

Ein flächendeckender Rollout von Mess- und Kommunikationstechnik zur Adaption des Überwachungsniveaus der Übertragungsnetzebene auf jene der Verteilnetze, einschließlich der Niederspannung, erscheint aufgrund des mit jeder Netzebene exponentiell zunehmenden Bedarfs an Messpunkten als nicht kosteneffizient.

Im QUIRINUS-Projekt werden für ausgewählte Pilotnetze der Mittel- und Niederspannungsebene, sowohl in der Vortagesprognose als auch im Echtzeitbetrieb alle Netzelemente entsprechend ihrer Auslastung eingefärbt. Mithilfe von smarten Algorithmen, optimal platzierten Referenzmessungen und qualitativ hochwertigen Prognosen wird das dazu nötige Vertrauensniveau erzielt. Im Fall von Belastungen oberhalb eines festgelegten Limits wird automatisiert aus allen technisch verfügbaren Optionen die optimale zur Behebung vorgeschlagen. Dabei wird insbesondere auch die Flexibilität von Energieerzeugern, -verbrauchern und –speichern berücksichtigt. Dem System- bzw. Netzführer wird somit ein praktikables Werkzeug zur Sicherung der System- bzw. Netzstabilität bis in die Niederspannungsnetzebene zur Verfügung gestellt.

Szenario 2: Flexibilität (Systemdienstleistungen)

Energieerzeugung und Energieverbrauch müssen zeitlich exakt aufeinander abgestimmt werden. (Energiespeicher können im Rahmen ihrer Kapazität eine gewisse zeitliche Entkopplung bieten, stehen aber auf absehbare Zeit nicht in ausreichender Menge zur Verfügung.) Ein Ungleichgewicht aus Erzeugung und Verbrauch destabilisiert das Energiesystem und führt ohne Gegenmaßnahmen zu dessen Zusammenbruch. Historisch hat sich die überwiegend auf der Verbrennung fossiler Energieträger beruhende Energieerzeugung entsprechend stetig dem kollektiven Verbrauchsverhalten aller Netznutzer angepasst.

Dieses Prinzip stößt mit Blick auf den rasant zunehmenden Anteil regenerativer und dabei zumeist volatil erzeugter Energie aus Wind- und Solarenergieanlagen an seine Grenzen. Seit einiger Zeit werden dazu Konzepte erprobt, die darauf beruhen, viele kleine Energieerzeuger, Energiespeicher und auch Energieverbraucher zu sogenannten „Pools“ zu aggregieren und gebündelt systemdienlich einzusetzen. Die lokalen Verhältnisse der Verteilnetze, in denen diese Anlagen fast ausschließlich angeschlossen sind, werden dabei in der Regel nicht berücksichtigt.

Vielmehr wird unterstellt, dass das Verteilnetz einer endlos ergiebigen „Kupferplatte“ gleicht, die Energieströme ohne Restriktionen ermöglicht. Dies ist naturgegeben nicht der Fall und sollte mit Blick auf die durch die Allgemeinheit zu tragenden Kosten der Energienetze auch nicht angestrebt werden. Der Ansatz im QUIRINUS-Projekt ist es, dieses vom Grundsatz richtige Prinzip der Einbindung aller Netzteilnehmer in das Systemmanagement um die Komponente der Verteilnetzdienlichkeit zu erweitern. Das QUIRINUS vkw++ übernimmt dabei die koordinierende Rolle, Flexibilität (z.B. Leistungserhöhung oder Leistungsverringerung) an den Verbindungsstellen verschiedener Netzregionen bereitzustellen, deren Abruf im unterlagerten Netz nicht zu Engpässen führt.

Szenario 3: Inselnetz

In den vergangenen 120 Jahren hat sich der Verbundbetrieb der elektrischen Energieversorgungsnetze als die kosteneffizienteste und sicherste Form des Systembetriebes herauskristallisiert. Der sogenannte Inselnetzbetrieb, das bedeutet der Betrieb eines räumlich begrenzten Netzes ohne elektrische Verbindung und somit ohne die Möglichkeit des Leistungsaustausches mit anderen Netzbereichen, wird heute in der Regel nur als Notfallkonzept praktiziert – beispielsweise wenn Krankenhäuser notversorgt werden müssen, weil die öffentliche Energieversorgung ausgefallen ist.

Eine weitere Herausforderung für die Netzbetreiber aus den Entwicklungen der vergangenen Dekade: Mit Zunahme der dezentralen Energieerzeugung steigt das Risiko einer ungewollten Inselnetzbildung nach fehlerbedingten Teilnetzabschaltungen.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass bis heute Netzbetreiber bestrebt sind, Inselnetzbildungen zu vermeiden.

Ansatz im QUIRINUS-Projekt ist es, Netzbereiche konzeptionell so zu ertüchtigen, dass im Bedarfsfall ein kontrollierter Inselnetzzustand zur Weiterversorgung der angeschlossenen Netznutzer gefahrenlos und mit gewohnt hoher Versorgungsqualität erzielt werden kann. Ein solcher Bedarfsfall könnte beispielsweise ein großflächiger Stromausfall sein. Vor dem Hintergrund eines schrumpfenden Bestandes konventioneller Großkraftwerke können stabil betriebene Inselnetze, die flexibel auch in einen Verbundnetzbetrieb überführt werden können („Wabenkonzept“), ein Baustein für zukünftige Konzepte des Netzwiederaufbaus sein.